Nach welcher Pädagogik wird in den Kitas gearbeitet? Diese Frage hatten wir vor einem Jahr schon gestellt. Unter den Antworten fanden sich folgende Kernsätze:
»Also, wir arbeiten nach dem Situationsansatz und Montessori.«
»Wir arbeiten auch nach dem Situationsdingsda, nach Montessori und außerdem noch nach Arnim Krenz sowie Schneider und Rüppenschnütz.«

»Wir arbeiten aber viel mehr als ihr nach Montessori. Und Rüppenschnütz gibt’s gar nicht!«
»Gibt es wohl! Und außerdem: Wir arbeiten immer ein Mal mehr nach Montessori als ihr.«
Nein, um dieses Kleinklein soll es hier nicht gehen. Uns interessieren vielmehr die geheimen Ansätze, nach denen die Erzieherinnen arbeiten, die mit dem üblichen Ansatzgetue nix zu tun haben. Hier kommen sie – in loser Folge: die ungeschriebenen Ansätze im deutschen Kindergarten.



Die Muttipädagogik

Welchen pädagogischen Grundgedanken verfolgt dieser Ansatz?
Grundgedanke ist die Auffassung, das die ausschlaggebenden Qualifikationen für die Arbeit im Kindergarten nicht durch Ausbildung vermittelt werden können, sondern als angeborene Persönlichkeitsmerkmale vorhanden sein müssen: Geschlecht, Muttergefühle, Herzenswärme.
Der muttipädagogische Ansatz (kurz: MPA) hat Anhänger innerhalb der Berufsgruppe der Pädagogen (»Eine Mutter hat das im Gefühl!«), aber auch unter Politikern (siehe: Krippendebatte) und Eltern (»Als Frau und Mutter müssten Sie aber wissen, wie man mit Kindern umgeht!«).
Kennzeichnend für den Ansatz ist außerdem, dass er es erlaubt, das ursprüngliche Konzept beizubehalten: Auch wenn sich die Muttis ändern, bleiben die Leitlinien des Ansatzes erhalten.



Was für ein Bild vom Kind haben die Muttipädagogen?

Wie jeder gute pädagogische Ansatz hat auch die Muttipädagogik (MP) ein klar definiertes Bild vom Kind. Anders als bei allen anderen Ansätzen ist das Bild nicht schriftlich fixiert, dafür kann man es aber gut an die Wand hängen.


Gibt es wichtige Glaubenssätze?

Ja, zum Beispiel: Kinder haben natürliche Bedürfnisse, und wir helfen ihnen, diese Bedürfnisse zu erkennen.
Kinder haben ein großes Bedürfnis nach stets sauberen Näschen. Sie wollen ausreichend Mittagsschlaf machen, auch wenn sie das manchmal nicht merken. Kinder wollen ausreichend essen, und deswegen wird der Teller leer gegessen!
Kinder wollen als eigenständige Persönlichkeiten ernst genommen werden.
Kinder wollen von uns Erwachsenen respektiert werden? Nun, dazu gehört, dass man das feine Händchen gibt und sich bei Tisch wie ein Großer benimmt, oder? Wir wollen doch nicht schon wieder das böse Baby spielen?
Kinder brauchen Ordnung und Regeln.
Wir helfen Kindern, ihre Kleidung in Ordnung zu halten: Kinder mögen doch nicht, dass die neue Bluse gleich schmutzig wird, oder? Vor allem in den Haaren fehlt es Kindern an Ordnung: Kinder brauchen es, dass man ihre Strubbelhaare häufig kämmt.
Kinder brauchen Regeln, und deswegen gilt bei uns die Regel, dass alle sitzen, bis alle aufgegessen haben, und danach gehen alle ganz geregelt im Gänsemarsch zum Schlafraum.



Welchen Prinzipien folgt der Ansatz?

Das Prinzip der schön vorbereiteten Umgebung
Kinder brauchen Schutz vor großen, leeren Flächen. Große, leere Flächen, insbesondere Schranktüren und Fensterscheiben, können laut MPA bei Kindern eine gefährliche Reiz-Unterflutung auslösen. Um dies zu verhindern, vermeiden die Erzieherinnen große, freie Flächen durch Anbringen von Scherenschnitten und Fensterbildern in Window Colours oder – zu gegebener Zeit – mit Schneespray.
Freie Tischflächen vermeidet man durch Aufstellen von Plastikblumen auf Scherenschnittdeckchen, während Kuschelecken durch großzügig drapierte Plüschtiere angereichert werden.


Das Prinzip der Überraschung
Das Prinzip der Überraschung setzen Muttipädagoginnen immer dann ein, wenn sie den Kindern tiefe Liebe oder Aufopferung beweisen wollen: »Weil ihr so artig wart, habe ich euch heute etwas Wunderschönes mitgebracht.«
Gleichzeitig dient das Prinzip dazu, Kindern ihre noch unfertige Empathie zu spiegeln: »Jetzt habe ich das alles so schön aufgebaut, und ihr macht es kaputt!« Undank, so einer der grundlegenden Gedanken des MPA, ist der Welten und leuchtende Augen der Muttipädagoginnen Lohn.


Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 01-02/09 lesen.

 

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