In vielen Gärten, aber auch auf verwildertem Brachland, in Wäldern und auf Wiesen wachsen zahlreiche Nutzpflanzen, von denen wir nur wenige kennen, obwohl sie von unseren Vorfahren seit langem verwendet werden. Hinzu kommen mehr oder weniger viele Züchtungen dieser Pflanzenarten, die der Wildform mitunter kaum noch ähnlich sehen, aber aufgrund bestimmter Eigenschaften und Inhaltsstoffe für uns heute sehr wertvoll und wichtig sind.
Herbert Österreicher stellt Nutzpflanzen vor, über die es Bemerkenswertes zu berichten gibt und die gerade auch für Kinder interessant sind. Die Serie beginnt in diesem Heft.


Vom »König der Unkräuter« zum Kultgemüse

Unser Gartenrettich (Raphanus raphanistrum ssp. sativus) stammt vermutlich aus Vorderasien und galt bereits im alten Ägypten als begehrte Speise- und Heilpflanze. In Mitteleuropa wird die Pflanze jedoch erst seit dem 16. Jahrhundert angebaut und verwendet. Obwohl die Botaniker bei dieser Pflanzengattung aus der großen Familie der Kreuzblütler nur einige wenige Wildarten unterscheiden, gibt es heute viele, teilweise sehr unterschiedlich wachsende Sorten. Dazu gehören auch die Radieschen.

Allerdings sind Rettichpflanzen keineswegs überall erwünscht. Wild wachsende Rettiche gelten seit Jahrtausenden als besonders hartnäckige Unkräuter. In der alten Bezeichnung Hederich verbergen sich die Begriffe Kampf (gegen das Getreide) und König – daher die Übersetzung »König der Unkräuter«.1 Darüber hinaus entstanden für diese Pflanze viele Volksnamen, zum Beispiel Heiderich, Heiderettich, Wildrettich, Ackerrettich, Radi (bayrisch) oder Räterich (Schweiz). Der Name Rettich leitet sich aus der lateinischen Bezeichnung radix für Wurzel ab.

Die Wurzel ist auch der Pflanzenteil, um den es uns geht, wenn wir den Rettich zu den Nutzpflanzen zählen. Genau genommen handelt es sich dabei aber nicht um die Wurzel, sondern um eine rübenförmige Verdickung unterhalb der Keimblätter. Die eigentlichen Wurzeln sind meist sehr fein und sitzen seitlich und unterhalb der »Rübe«, die wir kugelrund, walzenförmig oder lang zugespitzt kennen, weiß, rötlich oder violett, im Geschmack mild wie ein Kohlrabi oder scharf wie frischer Senf.

Die Schärfe stammt von Senfölglykosiden, so genannten sekundären Pflanzenstoffen, die neben den Vitaminen A, B1, B2, B6 und C zu den wertvollsten Inhaltsstoffen dieser Gemüsepflanze gehören. Je schärfer ein Rettich oder Radieschen schmeckt, desto höher liegt der Gehalt an Senfölglykosiden.

Außerdem enthält die Pflanze eine Reihe von Bitterstoffen, die antibiotisch und Schleim lösend wirken. Sie unterstützen die Gallenfunktion und damit die Verdauung. Das ist übrigens der Grund, weshalb Rettiche seit frühesten Zeiten auch als Arzneipflanze gelten. Allerdings kommen die Inhaltsstoffe nur bei frischen Pflanzen zur Wirkung. Die Konservierung durch Trocknen – wie bei vielen anderen Heilpflanzen – ist beim Rettich nicht sinnvoll, da vor allem die Senfölglykoside dabei zerstört werden.


Radieschen und Rettiche aus dem eigenen Garten

Der Anbau von Rettichen und Radieschen ist nicht allzu schwierig und auch auf kleinen Beeten möglich. Die Pflanzen bevorzugen mittelschwere, lockere und humose Böden in sonniger Lage. Während Radieschen nicht besonders tief wurzeln und sogar in Kästen kultiviert werden können, sollte der Boden für größere Rettichsorten tiefgründig durchwurzelbar sein. Außerdem benötigen die Pflanzen nahrhafte Erde, am besten eine Düngung mit reifem Kompost, und zurückhaltendes, aber regelmäßiges Gießen.

Da die Pflanzen nicht sehr kälteempfindlich sind, kann im Freien bereits ab März ausgesät werden. Dazu werden die Samen einzeln im Abstand von etwa 5 Zentimetern in die lockere Erde gedrückt. Der Abstand der Saatreihen untereinander sollte bei 10 bis 15 Zentimetern liegen. Die Keimzeit beträgt ungefähr sieben Tage, die Ernte ist bereits nach vier bis sechs Wochen möglich und sollte rechtzeitig durchgeführt werden: Zu alte Rettiche und Radieschen verholzen und schmecken nicht mehr.

Wichtig für den Erfolg bei der Kultur ist die Wahl der richtigen Sorte. Rettiche sind nämlich so genannte Langtagpflanzen. Das heißt: Je länger und wärmer die Tage sind, desto weniger gut ist die Rübenbildung, desto schneller schießen die Pflanzen in die Höhe und beginnen zu blühen. Will man also auch im Sommer oder bei der Aussaat ab etwa Mai Rettiche und Radieschen haben, muss man Sommersorten wählen, die unter Langtagbedingungen Knollen bilden.

Interessant sind auch die schwarzen, kugelrunden oder länglichen Winter-Rettiche, die allerdings eine längere Kulturzeit benötigen. Sie werden im Juli gesät und sind ab Anfang November erntereif. Da sie wesentlich größer als die Frühjahrssorten sind, sollten die Abstände bei der Aussaat auch doppelt bis drei Mal so groß sein.

 

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