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Gedanken zu Wissenspflege
und Wissensmanagement
in Erzieherinnenteams


Persönlichkeiten, nicht Grundsätze bewegen das Zeitalter.
Oscar Wilde


Die Idee, einen Beitrag über Wissenspflege in Kitateams zu schreiben, entspringt dem Wunsch, den Austausch über dieses Thema anzuregen und laut darüber nachzudenken. Außerdem möchte ich Anregungen und Erfahrungen weitergeben.
Mit meinen Ausführungen erhebe ich keinen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. Vielmehr liegt mir an Anstößen und Echos. Den Begriff »Wissenspflege« wähle ich, weil ich damit an einfache, uns bekannte Strategien erinnern möchte. Mit »Pflege« lassen sich sorgsam-liebevolle gärtnerische Handlungen assoziieren, und deshalb scheint er mir für mein Anliegen brauchbar.
Dorothee Jacobs



Die Selbstbildungsprozesse der Erzieherinnen

Zum Hintergrund des Themas: Ich habe den Eindruck, dass der kindlichen Aneignung und Konstruktion von Wissen und Erfahrung in deutschen Kindergärten überdimensional mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird als den realen Möglichkeiten der Erzieherinnen, sich selbst nachhaltig zu bilden, ihr eigenes Wissen zu kommunizieren, zu pflegen und es den Anforderungen des Alltags entsprechend auf- und umzubauen.
Wann ist eine Erzieherin zufrieden mit der sich stetig wandelnden Landschaft aus unterschiedlichen Informationen und Erfahrungen in ihrem Kopf? Wann kann sie sich mit den sich ebenfalls stetig wandelnden Landschaften in den Köpfen ihrer Kolleginnen in sinnvollen Bezug setzen? Was kann Teams dabei unterstützen, ihre unterschiedlichen Kenntnisse und Fertigkeiten zum Entwickeln klarer gemeinsamer Handlungsstrategien einzusetzen?
Meine Recherchen und die Suche nach geeigneten Werkzeugen für Kitateams, die die Nachhaltigkeit ihres Lernens verbessern können, wurden einerseits durch die ambitionierte Aufbruchstimmung motiviert, die ich in vielen Kitas erlebe. Andererseits motivierte mich der Eindruck von Ratlosigkeit, was das Sortieren unterschiedlicher Anstöße und Sichtweisen, geliebter Traditionen und aktueller Strömungen anbelangt.
Ich finde, dass zu viel Team- und Fortbildungszeit für neue Inhalte aufgewendet wird. Die Pflege bereits vorhandenen Wissens und der pädagogische Austausch selbst kommen hingegen häufig zu kurz. Bezogen auf das Thema dieses Artikels, wären folgende Voraussetzungen hilfreich:


Jenseits der Checklisten

Als Fortbilderin werde ich ständig Zeugin unterschiedlichster Praxis, was die Pflege der gemeinsamen und individuellen Lern- und Wissensfelder in Kitas anbelangt. Jenseits der den Kita-Markt überflutenden Checklisten, die für ein Maximum an Einheitlichkeit, Klarheit und Übersicht auf der Handlungsebene werben, begegnen mir offen zum Ausdruck gebrachte Verwirrung bezüglich der Herzstücke der Pädagogik und ihrer Zusammenhänge, Unsicherheiten im eigenen Fachwissen beim Gewahrwerden von Wissenslücken oder wenn es darum geht, Prioritäten in der Alltagsgestaltung zu setzen.
Wenn es auf der Erwachsenenebene eigenwillig und rätselhaft wird, wenn bei Erzieherinnen drängende Fragen1 und fragile innere Lernlandschaften entstehen, hören die Gespräche und Protokolle meist auf. Der Konflikt ist unsichtbar. Atmosphärisch teilen sich der Stand der Dinge und der Geist eines Hauses dennoch mit. Dessen sind sich viele Kitaleiterinnen und Erzieherinnen bewusst. Ein bisschen Scham begleitet deshalb mitunter die Darstellung der eigenen Werte und Maßstäbe den Eltern und der Öffentlichkeit gegenüber. Um dem abzuhelfen, wäre konkretes Handwerkszeug zur Entwicklung einer gemeinsamen »Kultur des Wissensaufbaus und der Wissenspflege« nützlich.


Kinderportfolios – Erzieherinnenportfolios

Schaue ich mir liebevoll gestaltete Bildungsbücher, Portfolios oder Entwicklungsordner einzelner Kinder an, bin ich beeindruckt, wie viele Informationen und wie viel Material ihre Erzieherinnen »nebenbei« über das Lernen und Leben der Kinder zusammengetragen haben. Sie machen eine Auswahl von Erlebnissen – im Idealfall von Bildungsprozessen – des einzelnen Kindes für das Kind, für dessen Eltern und für sich selbst sichtbar.
Ich will nichts idealisieren. Sicherlich sind viele Dokumentationen noch zu niedlich oder zu sehr auf das Einfangen von Höhepunkten abgestellt. Dennoch bin ich mir sicher, dass aufmerksame Erzieherinnen bei der Wahl von Bildern und Worten viel lernen: über sich, über das Kind, über die Altersgruppe im Allgemeinen – ob sie dies anstreben oder nicht.
Immer wieder drängt sich mir die Frage auf, wo und wie die Erzieherinnen ihren eigenen Wissens- und Erfahrungszuwachs dokumentieren und sortieren könnten, um sich dadurch selbst den ansprechenden Überblick zu gönnen, den sie anderen verschaffen. Am Ende dieses Beitrags werde ich ein paar praktische Vorschläge dazu machen. Zunächst jedoch noch einige Gedanken zu Lernprozessen im Allgemeinen.


Margret Carrs Lerndispositionen – für Erwachsene

Eine Sache, die mich im Hinblick auf nachhaltiges Lernen im Erwachsenenalter immer wieder beeindruckt, ist die perfekte Anwendbarkeit der von Margret Carr formulierten Lerndispositionen auf die Beschreibung und Unterstützung der Lernqualität in Erzieherinnenteams. Margret Carr benennt fünf unterschiedliche Qualitäten als Voraussetzung für erfolgreiches Lernen:

Werden diese Qualitäten bei einer Fortbildung spürbar, entsteht eine überaus angenehme Arbeitsatmosphäre. Fehlt eine der Qualitäten im Team oder bei der einzelnen Mitarbeiterin, geht es gerade noch. Fehlen zwei, kann sich das Erarbeiten gemeinsamer Entwicklungswünsche oder -ziele holprig gestalten. Dann ist es sinnvoll, herauszufinden, was warum wo blockiert. Überforderung? Zu hohe Anpassungsleistungen aneinander? Zu viele von außen an das Team herangetragene »Pflichtinteressen«? Zu wenig persönlicher Lerngewinn für die einzelne Erzieherin? Zu wenig Überblick?
Das Interessante an Margret Carrs Lerndispositionen ist, dass keine einzige von ihnen erzwungen werden kann. Lediglich das Erfüllen von Aufgaben und das Einhalten von Regeln kann in einer Kita eingefordert werden. Margret Carr aber beschreibt so etwas wie innere Lebensqualität: »Ich bin interessiert und engagiert, ich halte Konflikte aus und kann mich mitteilen, ich bin verbunden, ich übernehme Verantwortung und bin dadurch ein wichtiger Teil eines Ganzen.« Damit benennt sie die vitalen Voraussetzungen, die zur Entwicklung aller Kompetenzbereiche, insbesondere aber zur Entwicklung von beruflicher Identität und persönlicher Reife notwendig sind.


Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 07-08/09 lesen.

 

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