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Vertrauen in die Fähigkeiten der Lernenden

Die Fortbildnerin Sibylle Haas lebte drei Monate lang in Neuseeland, hatte viele Kontakte mit Kolleginnen dort, besuchte zehn Kindergärten, drei Schulen und lernte einen Teil des neuseeländischen Bildungssystems kennen. In einer Beitragsserie, die in Heft 9/09 begann, berichtet sie über ihre Erlebnisse, richtet den Blick sozusagen vom anderen Ende der Welt auf die hiesige Bildungslandschaft und möchte neue Perspektiven eröffnen.

Im Garten balancieren Kinder mit großen Schubkarren barfuss über schräge Holzbretter. Bäume und ein Baumhaus laden zum Klettern ein. Ein künstlicher Bachlauf mit runden Steinen lockt die Jüngsten und verspricht besondere Erfahrungen beim Krabbeln. Eine Werkbank mit einer Kiste voller Holzreste und Werkzeug erfreut sich großer Beliebtheit bei den älteren Kindern. Unter einer ausklappbaren Kletterwand liegen Plastik-Matratzen, damit im Falle eines Falles…
Die Welt ist voller Abenteuer und will erobert werden. Sie ist keine von Gefahren bereinigte Spiellandschaft, in der man sich nie wehtun darf, sondern Lern- und Übungsfeld, denn Sicherheit und Selbstbewusstsein wachsen durch Herausforderungen. 

Manchmal kam es mir so vor, als ob man in diesem fernen Land im pazifischen Ozean, das erst Ende des 19. Jahrhunderts von Europäern besiedelt wurde, die lange brauchten, ehe sie es sich in der unberührten Natur gemütlich machen konnten, anders mit Gefahren und Risiken umgeht als bei uns. Natürlich fallen auch in Neuseeland Kinder hin, holen sich Schrammen, tun sich weh, weinen und werden getröstet. Der Trost wird meist mit einer kurzen Erklärung verbunden: »Das kommt schon mal vor, probier es weiter, du schaffst das…« Also nicht: »Pass auf, sonst tust du dir weh. Lass das sein, denn dafür bist du noch zu klein.«
Zu pauschal und zu vereinfacht? Mag sein. Aber lassen wir uns doch mal auf ein inneres Forschungsvorhaben ein: Wie oft greifen wir ein, wenn ein Kind »gefährliche« Erfahrungen machen möchte? Und wie gefährlich sind diese Erfahrungen wirklich? Wie reagieren wir, wenn ein Kind sich wehtut? Ermuntern wir es zu neuen Erfahrungen? Oder unterstützen wir, bewusst oder unbewusst, den resignierten Rückzug?


Heißklebepistolen – eine Herausforderung

In einigen Kindergärten sah ich Kinder, die begeistert mit Heißklebepistolen1 arbeiteten: Sie montierten Holzstücke und Materialcollagen, ließen die Klebefäden in eine Wasserschale gleiten und formten daraus wundersame Gebilde, mit Glitzer und farbigen Plastikteilen verziert. Auf meine Frage, ob das für die Kinder nicht gefährlich sei, ob sie sich nicht verletzen könnten, bekam ich die schlichte Antwort: »Es kommt schon mal vor, dass die Kinder sich wehtun. Aber das passiert selten und ist schnell wieder vergessen. Sie müssen doch lernen, mit Werkzeug umzugehen…«
In einem Lern-Geschichtenbuch las ich: »Es ist nicht neu für dich, Paula, etwas zu bauen. Du bist viel selbstständiger und schöpferischer geworden. Wundervolle Werke mit der Klebepistole, schöne Edelsteine und Bilder sind für dich eine Möglichkeit, deine Ideen auszudrücken. Ich habe gemerkt, wie du die Herausforderung, die Klebepistole zu benutzen, gemeistert hast. Du probierst immer weitere Wege aus… Wir werden dich beim Forschen begleiten und dich ermutigen, an neuen Projekten teilzunehmen. Da du selbstständiger geworden bist, fragen wir uns, was du noch tun kannst…
Liebe Eltern, hat Paula ein besonderes Interesse zu Hause? Wir würden es gern mit ihr teilen.«


In der Grundschule

In der Discovery 1 School in Christchurch, einer Grundschule, die sich dem entdeckenden Lernen besonders konsequent widmet, wird den Schülern zugetraut, ihre eigenen Fragen und Themen zu bearbeiten. Eine Gruppe von Neun- bis Elfjährigen – hier gibt es nur homegroups, also Lerngruppen, die drei Altersjahrgänge umfassen – stellte sich die Aufgabe, herauszufinden, warum Rauchen verboten wird. Die Kinder bereiteten dazu ein Interview mit einem Arzt vor, beschäftigten sich in diesem Zusammenhang mit Rechtschreibregeln, recherchierten im Internet und überlegten, wie sie ihren Bericht gestalten könnten.
Eine andere Gruppe setzte sich mit der Frage auseinander: Wenn es schon Hühnerfarmen gibt, wie könnten sie möglichst artgerecht eingerichtet werden? Die Lehrerin verfolgte die Prozesse im Hintergrund und unterstützte bei Bedarf.



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www.minedu.govt.nz
Auf den Seiten des neuseeländischen Bildungsministeriums finden sich weiterführende Informationen zum dortigen Bildungssystem. Über > Our education system erhält man einen Gesamtüberblick. Besonders interessant >Early Childhood und > Maori Education sowie die Vereinbarung »KTCA«(Kindergarten Teachers, Head Teachers and Senior Teachers Collective Employment Agreement), in der neue Standards für die Arbeit der Kindergarten Teachers vereinbart wurden.

www.neuseeland-journal.de
Wer sich auf den virtuellen Weg nach Neuseeland machen möchte: Hier gibt es Informationen zu allen Reisefragen. Ebenso unter www.newzealand.com

www.reiselinks.de
Eine umfangreiche Linkliste ermöglicht die differenzierte Reiseplanung und -buchung. Einfach links in der Navigation > Länder und Regionen
> Australien/NZ/Südsee auswählen.


Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 10/09 lesen.

 

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