Wie geht es weiter mit der Professionalisierung sozialpädagogischer Fachkräfte?
Im »Deutschen Qualifikationsrahmen« (DQR) wurden die Weichen gestellt! Sigrid Ebert analysiert aktuelle Entwicklungen, skizziert Hintergründe und fordert ein Strategiekonzept, das in einem länder- und ausbildungsübergreifenden Diskurs erarbeitet werden sollte.


In einem Spitzengespräch zwischen Bund, Länder und Sozialpartnern wurde im Januar 2012 Einigkeit erzielt. Der hochschulische Abschluss »Bachelor« – angesiedelt auf Stufe 1 des Qualifikationsrahmen für Deutsche Hochschulabschlüsse (HQR) – wird dem berufsbildenden Abschluss des »Meisters« auf Fachschulniveau gleichgesetzt. Beide Abschlüsse werden dem Niveau 6 des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) zugeordnet und damit einander gleich gestellt.

Diese Entscheidung stellt einen Meilenstein in der deutschen Bildungspolitik dar. Ist doch damit ein entscheidender Schritt für Annäherung und Durchlässigkeit der bislang in Deutschland strikt getrennten Bildungssysteme, nämlich das der beruflichen und das der akademischen Bildung, getan worden.

Die Zuordnung dieser beiden in unterschiedlichen Bildungssystemen erworbenen formalen Abschlüsse auf ein gemeinsames Niveau des DQR hat auch die Gleichstellung der auf Fachschulniveau angesiedelten Ausbildung von Erzieherinnen und Erziehern mit den an Hochschulen angebotenen BA-Studiengängen »Bildung und Erziehung in der Kindheit« zur Folge.

Das war Anlass für das Deutsche Jugendinstitut unter Mitwirkung von WIFF, der Weiterbildungsinitiative Frühpädagogischer Fachkräfte im April 2012 zu einem Fachforum: »Das Gleichheitsdilemma – Folgen und Nebenwirkungen der Neuformatierung der frühpädagogische Ausbildungslandschaft« einzuladen. War es der provokanten Formulierung geschuldet, dass trotz des fundierten Einführungsreferates von Martin Baethke, Universität Göttingen über den gesellschaftlichen Wandel beruflicher und akademischer Ausbildungswege und der Analyse von Peter Cloos, Stiftungsuniversität Hildesheim über mögliche Unterschiede zwischen fachschul- und hochschulausgebildeten Fachkräften, dass die Diskussionen im Plenum wenig vorwärts gewandt waren? Oder lag es daran, dass insbesondere die beiden Ausbildungsverantwortlichen von Fachschule und Hochschule Manfred Müller-Neuendorf und Claus Stieve sich in ihren Einschätzungen darauf beschränkten, mehr oder weniger selbstbezüglich Aspekte der jeweiligen Ausbildungsqualität hervorzuheben. Sie hatten kein »Gegenüber«, das mit ihnen und dem Plenum die Folgen einer »Neuformatierung der Ausbildungslandschaft« hätte erörtern können.

Es fehlte die Abnehmerseite, die aus der Sicht der Kinder- und Jugendhilfe und auf der Grundlage der Beschlüsse der Jugend- und Familienministerkonferenz (JFMK) vom 14. Dezember 2010 und vom 26./27. Mai 2011 zusammen mit den Ausbildungsverantwortlichen und den Teilnehmenden des Fachforums eine fach- und berufspolitische Vision für eine zukunftsfähige Personalstruktur im Bereich der Kindertagesbetreuung und ein darauf abgestimmtes System der Aus- und Weiterbildung der Fachkräfte hätte entwickeln können.

So trat man aber auf der Stelle: Aus der Sicht des »Hochschullagers« wurde die »Gleichstellung« als »Dilemma« beklagt, während die Fachschulvertreter mehr oder weniger mit Genugtuung die Gleichstellung zur Kenntnis genommen haben.



Was ist und will der Deutsche Qualifikationsrahmen für Lebenslanges Lernen (DQR)?

Der DQR erfasst bildungsbereichsübergreifend alle Qualifikationen, die in der allgemeinen, der Hochschulbildung und der beruflichen Bildung erworben werden. In einer Matrix beschreibt der DQR auf acht Niveauebenen bezogen auf zwei Kategorien, nämlich Fachkompetenz und Personale Kompetenz die für das jeweilige Niveau geforderten Anforderungsprofile. Für die Beschreibung der acht Niveauebenen ist eine einheitliche Anforderungsstruktur für die beiden Kategorien vorgegeben. Wobei Fachkompetenz noch einmal unterteilt wird in »Wissen« und »Fertigkeiten« und Personale Kompetenz in »Sozialkompetenz und Selbständigkeit« (»Vier-Säulen-Struktur«).

Niveauindikatoren sind »Tiefe und Breite des Wissens, instrumentale und systemische Fertigkeiten, Beurteilungsfähigkeit« (Fachkompetenz) sowie »Team/Führungsfähigkeit, Mitgestaltung und Kommunikation, Eigenständigkeit/ Verantwortung, Reflexivität und Lernkompetenz« (Personale Kompetenz).

Mittels dieser Niveauindikatoren werden auf der jeweiligen Niveaustufe des DQR die Kompetenzprofile eines formalen Abschlusses beschrieben. Wobei unter Kompetenz »die Fähigkeit und Bereitschaft des Einzelnen verstanden wird, Kenntnisse und Fertigkeiten sowie persönliche, soziale und methodische Fähigkeiten zu nutzen und sich durchdacht sowie individuell und sozial verantwortlich zu verhalten« (DQR S. 2). Im Sinne einer »umfassenden Handlungskompetenz« soll dieser Kompetenzbegriff auch Aspekte der Persönlichkeit des handelnden Individuums wie Offenheit und Toleranz in interkulturellen und interreligiösen Handlungskontexten, demokratisches Verhalten sowie normative und ethische Reflexivität umfassen.

Wichtig ist, dass die DQR – Matrix richtig gelesen wird: einer Niveauebene sind gleichwertige, nicht gleichartige Qualifikationsprofile zugeordnet. Die Zuordnung erfolgt mit der Maßgabe, dass jedes Qualifikationsniveau grundsätzlich auf verschiedenen Bildungswegen erreichbar sein kann. Es wurde deshalb besonders darauf geachtet, dass der Deutsche Qualifikationsrahmen und der Qualifikationsrahmen für Deutsche Hochschulabschlüsse (HQR) auch hinsichtlich der verwendeten Begrifflichkeiten kompatibel sind.

Bisher beschränkt sich der DQR auf die im deutschen Bildungssystem erworbenen formalen Qualifikationsabschlüsse und trotz des an Lernergebnissen ausgerichteten Kompetenzansatzes hält der DQR am Berufsprinzip fest. Festgehalten wird auch daran, dass durch die Gleichstellung formal erworbener Berufsabschlüsse auf einer Niveauebene – auch der Bachelorabschluss ist ein Berufsabschluss – das bestehende System der Zugangsberechtigungen zu den jeweils unterschiedlichen Bildungsgängen nicht ersetzt wird. Ebenso ist »das Erreichen eines Niveau entkoppelt von tarif- und besoldungsrechtlichen Auswirkungen« (DQR, S. 5).

Ein nächster Schritt in der Weiterentwicklung des DQR sieht vor, dass in Expertenanhörungen Möglichkeiten der Anschlussfähigkeit und damit der Einbeziehung von informell erworbenen Kompetenzen – wie es der Europäische Qualifikationsrahmen (EQR) vorsieht – erörtert werden.


Den vollständigen Beitrag können Sie in unserer Ausgabe Betrifft KINDER 10/12 lesen.




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